Warum Wertstufendemokratie?
Moderne Gesellschaften werden immer komplexer: Überall finden wir Spezialisierung, Arbeitsteilung und Differenzierung. Dennoch ist unsere vor immer größeren Herausforderungen stehende Demokratie in den letzten Jahrzehnten nicht mehr strukturell weiterentwickelt worden. Dabei zeigt die unsachliche Machtpolitik der Parteien, das wachsende Misstrauen der Bevölkerung in die Politik und die generelle Wirtschaftsabhängigkeit des sozialen Ganzen deutlich, dass die Demokratie in ihrer gegenwärtigen Form der Idee einer Selbstregierung der Menschen kaum gerecht wird. Insbesondere ihr Versagen im Hinblick auf die Sicherung des internationalen Friedens, die Einführung eines humanen Wirtschaftssystems und die ökologische Krise sprechen Bände. Dieses Versagen hat strukturelle Ursachen: Vor allem die Allzuständigkeit der Parteien und Abgeordneten führt dazu, dass die Politik überfordert ist und keine nachhaltigen Antworten auf die grundsätzlichen Fragen unseres Gemeinwesens parat hat, ja letztere nicht einmal adäquat stellen kann. Folglich müssen erst einmal die politisch-strukturellen Bedingungen einer sachlichen Politik hergestellt werden, bevor überhaupt an eine genuin demokratische Gestaltung unserer Gesellschaft zu denken ist.
There is an alternative
Der hier vorgestellte konstruktive Alternativvorschlag heißt Wertstufendemokratie. In dieser gäbe es kein unsachliches Einheitsparlament, sondern vier direkt gewählte Sachparlamente für die Bereiche Wirtschaft (1), (Macht-)Politik (2), Kultur (3), Grundwerte (4). Diese Sachparlamente würden unabhängig voneinander, in verschiedenen Wahljahren und im Rahmen von gesonderten Wahldebatten gewählt. Zu den bereichsspezifischen Wahlen würden statt der jetzigen überforderten Allround-Parteien ganz neue, spezialisierte und entsprechend kompetentere Sachparteien und -abgeordnete antreten, die sich jeweils auf eine Ebene des Sozialen fokussieren und für diese die besten Gestaltungsideen und Lösungsvorschläge einbringen. Entgegen einer unsachlichen Vermischung der Perspektiven und strukturellen Korruption durch wirtschaftliche und machtpolitische Partikularinteressen würde eine von den Grundwerten ausgehende Rahmengesetzgebung garantieren, dass die verschiedenen Perspektiven der vier Sachparlamente geordnet aufeinander bezogen und gemäß ihrer Rangfolge integriert werden (Grundwerte > Kultur > Politik > Wirtschaft) – damit sich die Demokratie über die vermeintlichen Sachzwänge erhebt und die Wirtschaft endlich den Menschen dient. Ferner lässt sich die Wertstufendemokratie hervorragend durch weitere, etwa direktdemokratische oder aleatorische Verfahren (Volksentscheide, geloste Gesellschaftsräte) ergänzen.
Was für die große Politik gilt, gilt analog für jegliche Form des menschlichen Zusammenlebens. Die der Wertstufendemokratie zugrundeliegende Sozialphilosophie lässt sich auch auf kleinere soziale Einheiten und Entscheidungsprozesse übertragen und mit weiteren Ansätzen der Organisationsentwicklung kombinieren. Wir betrachten die Verwirklichung des Wertstufenprinzips in ersten Modellversuchen (wie bspw. in dem Schulprojekt „Schule als Staat“) und in einzelnen Gruppen, Organisationen und Einrichtungen (wie bspw. Unternehmen, Genossenschaften oder Vereinen) nicht nur als einen unentbehrlichen Schritt auf dem Weg zur strukturellen Weiterentwicklung des politischen Systems, sondern auch als Bedingung einer Demokratisierung und sozialökologischen Transformation der Wirtschaft, ja letztlich eines grundlegenden Wandels der Gesellschaft als Ganzer.
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